Hoene schrieb nicht zurck - Hertha-Legende Granitza 11FREUNDE

November 2024 · 6 minute read

Herr Gra­nitza, zufällig sind wir auf Ihren Blog gestoßen. Seit wann gibt es den?

Unter www​.karl​heinz​gra​nitza​.com blogge ich seit rund drei Monaten über Hertha BSC und die Bun­des­liga. Dem­nächst werde ich auch auf Eng­lisch über die ame­ri­ka­ni­sche Liga schreiben, weil ich dort ja lange gespielt habe. Ich habe per­sön­li­chen Kon­takt zu einigen Mann­schaften und bin min­des­tens ein Mal im Jahr drüben.


Wie kamen Sie als 58-Jäh­riger zum Bloggen?

Mein Freund Wolf­gang König und seine Frau, die Autorin ist, haben mir das nahe­ge­legt. Das Wort »Blog« kannte ich gar nicht. Zunächst habe ich gesagt, dass ich zu alt bin und mich keiner mehr kennt, aber über­ra­schen­der­weise kli­cken erstaun­lich viele Leute drauf – ins­ge­samt schon 58.000. Dabei machen sich meine Kinder manchmal über mich lustig, weil ich den Com­puter so langsam bediene.

Für Ihren Blog inter­viewen Sie auch alte Weg­ge­fährten…

Vor allem alte Mit­spieler wie Uwe Kli­e­mann, Erich Beer oder Michael Sziedat. Ich will aber nicht nur die Ver­gan­gen­heit, son­dern auch junge Spieler her­vor­heben, die noch keiner kennt.

Betreiben Sie die Web­site in Eigen­regie?

Für die Gestal­tung und Umset­zung ist ein junger Mann zuständig. Ich schicke ihm meine Artikel per E‑Mail und er baut sie dann ein.

Sind Sie dem Fuß­ball auch noch ander­weitig ver­bunden?

Bis Ende 2008 war ich Scout für den FC Chelsea, mein Zustän­dig­keits­be­reich war der Osten Deutsch­lands. Dann kam die Wirt­schafts­krise und es wurden ins­ge­samt 40 Länder gestri­chen.

Konnten Sie Chelsea einen jungen deut­schen Spieler emp­fehlen?

Ich habe ihnen einen A‑Jugendlichen von Hertha wärms­tens emp­fohlen. Doch seine Bera­terin wollte nicht, dass er nach Eng­land geht, obwohl ihm das in meinen Augen sehr gut getan hätte.

In Hertha-Kreisen sind Sie also noch eifrig unter­wegs?

Ich schaue mir die C‑, B- und A‑Jugend an. Da gibt es sehr, sehr viele Talente. Was mich jedes Mal auf­regt: Das Scou­ting-System von Hertha ist eine Kata­strophe! Wir haben keinen ver­nünf­tigen rechten oder linken Ver­tei­diger.

Mit Sofian Chahed und Malik Fatih gab es auf diesen Posi­tionen Eigen­ge­wächse mit Per­spek­tive…

… die dann ver­kauft wurden. Man hat ihnen anschei­nend nicht das Geld zahlen können, das sich die Berater vor­ge­stellt haben. Aber da muss man als Verein auch vor­aus­schauend han­deln. Nehmen wir das Bei­spiel Mesut Özil und Schalke 04: Wenn Magath damals schon dort gewesen wäre, würde der sicher­lich noch in Gel­sen­kir­chen spielen. Jerome Boateng ist der nächste Fall.

Denken Sie, diese Spieler würden Hertha aktuell wei­ter­helfen?

Boateng wäre sicher­lich mit Fried­rich in der Innen­ver­tei­di­gung gesetzt. Dass man statt­dessen mit Beng­tsson einen Abwehr­spieler holt, der sich auf 30 Metern vier Meter abnehmen lässt, ärgert mich maßlos. Berlin ist kein Dorf­verein wie Hof­fen­heim, die Stadt hat fast vier Mil­lionen Ein­wohner. Dazu liegt Polen vor der Tür, wo es auch ein sehr gutes Jugend­system gibt.

Sie haben die erfolg­rei­chen Ber­liner Jahre in den Sieb­zi­gern selbst mit­er­lebt. Wie geht es Ihnen heute, wenn Sie den Nie­der­gang ver­folgen?

Ich sitze bei jedem Spiel auf der Tri­büne. Dieter Hoeneß konnte die Spieler aus den Sieb­zi­gern nicht leiden. Wenn ihn bei­spiels­weise ein ver­dienst­voller Spieler wie Erich Beer um Karten gebeten hat, hieß es: »Kauf dir die selber!« Uwe Kli­e­mann hat sich schrift­lich um eine Stelle als Jugend­scout beworben – und Hoeneß schrieb nicht einmal zurück! Ich hoffe, dass das mit Preetz anders wird.

Was muss sich ändern?

Das Scou­ting-System muss total über­ar­beitet werden. Dass ein Spieler wie Pejci­novic von Lucien Favres Sohn gesichtet und dar­aufhin ver­pflichtet wird, darf es nicht mehr geben. Außerdem hoffe ich, dass sich im Mai einige alte Hertha-Spieler für die Wahl zum Vor­stand zur Ver­fü­gung stellen – wie beim FC Bayern.

Kann Hertha BSC über­haupt noch die Klasse halten?

Nach dem Spiel gegen Lever­kusen habe ich große Hoff­nungen. Ich glaube, dass alle Spieler jetzt den Knall gehört haben. Ramos hat vorne die nötige Schnel­lig­keit, nur die Wucht fehlt ihm noch. Wenn sich Ramos fes­tigt und wir Gekas bekommen, ist noch was drin.

Was halten Sie von Ramos?

Der denkt ja jetzt schon wieder über seinen Urlaub und seine Hoch­zeit nach – da lachen ja die Hühner! Der soll sich auf seinen Sport kon­zen­trieren. Haben Sie mal gesehen, wie dünn der ist? Der Junge muss mal Mus­ku­latur auf­bauen. Wenn er aber über den Winter nach Süd­ame­rika fliegt, kommt er platt wieder.

Sind sechs Punkte nach der Hin­runde (falls es kein Wunder in Mün­chen gibt) nicht zu wenig, um es noch zu schaffen?

Selbst bei den Bayern kann es eine Über­ra­schung geben. Warum nicht ein 0:0 oder 1:1? Am Anfang der Rück­runde müssen wir in Han­nover gewinnen und die beiden fol­genden Heim­spiele. Mit 15 Punkten wäre die Mann­schaft dann wieder auf Tuch­füh­lung.

Wie erleben Sie der­zeit die Stim­mung im Verein und im Umfeld?

Die posi­tive Fan­kultur gefällt mir sehr gut. Es geht keiner auf die Bar­ri­kaden wie anderswo, son­dern alle wollen nur eines: Dass Hertha die Klasse hält. Auch des­halb glaube ich noch fest an den Klas­sen­er­halt.

Was zeich­nete die erfolg­reiche Hertha-Mann­schaft aus den Sieb­ziger Jahren aus?

Heute zer­streuen sich die Spieler nach dem Trai­ning in alle Winde. Damals hatten wir ein Café und ein Restau­rant, in dem der Groß­teil der Mann­schaft ver­kehrte. Mon­tags und Diens­tags haben sich nach dem zweiten Trai­ning immer zehn bis fünf­zehn Spieler auf ein paar Bier­chen getroffen. Wir haben nicht nur über Pri­vates gespro­chen, son­dern auch viel über Fuß­ball. Das hat uns zur Spit­zen­mann­schaft zusam­men­ge­schweißt.

Beschreiben Sie den Spieler Karl-Heinz Gra­nitza für die jün­geren Leser!

Wenn es damals schon die Scorer-Rang­liste gegeben hätte, wäre ich mit Abstand Erster geworden. In den USA bin ich in dieser Kate­gorie bis heute mit Abstand der Beste. Neben meinen 141 Toren habe ich auch an die 130 Tore auf­ge­legt.

Ein spie­lender Stürmer wie heute Miroslav Klose?

Genau. Vor Klose habe ich große Hoch­ach­tung, er ist einer meiner Lieb­lings­stürmer. Louis van Gaal tut ihm großes Unrecht. Es heißt immer, er habe so und so viele Spiele nicht getroffen. Ja, aber er war dann viel­leicht wieder an zwei betei­ligt! Klose ist ein Welt­klas­se­mann, der bei Real Madrid oder Bar­ce­lona spielen könnte.

In ihren Augen ein wich­tiger Mann für Süd­afrika?

Er ist spiel­be­stim­mend, aner­kannt und hat in der Natio­nal­mann­schaft über Jahre immer getroffen. Er ist für mich auf der Posi­tion ohne Wenn und Aber die Nummer 1 in Deutsch­land. Klose hat schon zehn Tore bei Welt­meis­ter­schaften, in Süd­afrika kann er in der ewigen Rang­liste sogar auf den ersten Platz rücken. Das sagt doch alles!

Wer waren Ihre Vor­bilder?

Ich habe mir viel von Gerd Müller und Lorenz Horr abge­schaut. Müller war zusammen mit Becken­bauer das wohl beste Dop­pel­pass-Duo, das es je gab, seine 365 Tore werden auf ewig uner­reicht bleiben. Horr kam leider zu spät von Alsen­born zur Hertha, er war aber auch ein Welt­klas­se­stürmer.

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