
Kosi Saka, Sie begannen Ihre Karriere als Neunjähriger beim SV Gadderbaum Bielefeld. Eigentlich recht spät, um mit dem Fußball anzufangen.
Kosi Saka: Das stimmt. Ich hatte allerdings schon oft in der Schule oder auf dem Bolzplatz mit Freunden gekickt. Eines Tages stand dann ein Jugendtrainer vom SV Gadderbaum am Rand und sagte mir, dass er mich gerne in seiner Mannschaft aufnehmen möchte.
Kurze Zeit später wurden Sie Jugendspieler von Arminia Bielefeld, am Horizont glänzte der glamoröse Bundesligafußballs. Ihre Familie lebte allerdings noch auf Asyl in Bielefeld. Eine paradoxe Situation.
Kosi Saka: Meine Familie hatte damals noch keine Aufenthaltsgenehmigung, das stimmt. Wir hatten also die große Befürchtung, dass wir heute oder morgen nach Afrika abgeschoben werden. Allerdings hat uns Arminia in dieser Zeit sehr unterstützt. Man half meinen Eltern bei der Arbeitssuche, kümmerte sich um das Asyl. Dafür bin ich dem Verein heute noch sehr dankbar.
Im Jahr 2000, Sie waren 14, sind Sie in die Jugendabteilung von Borussia Dortmund gewechselt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Kosi Saka: Ich habe dort sehr viel gelernt und meine ersten Erfahrungen gemacht. Mit vielen meiner früheren Mitspielern aus Jugendzeiten stehe ich heute noch Kontakt. Marc-Andre Kruska, heurte Kapitän von Energie Cottbus, Mehmet Akgün und auch Uwe Hünemeier. Es macht mir Spaß zu sehen, wie sich die Jungs weiter entwickeln. Viele packen es, viele packen es nicht. Vor drei Jahren sah es so aus, als hätte ich es geschafft – und heute? Heute sieht es ganz anders aus.
2003 debütierten Sie bei den BVB-Amateuren, und am 19. November 2005 machten Sie gegen Hertha BSC Ihr erstes Bundesligaspiel. Was war das für ein Gefühl, mit 19 in der Bundesliga zu spielen?
Kosi Saka: Ganz ehrlich: Ich hatte gedacht, ich würde es mit 18 packen. (lacht) Einige Tage vor jenem 13. Spieltag der Saison 2005/06 rief mich der BVB-Jugendkoordinator Eddy Boekamp an und sagte, dass ich bei den Profis trainieren sollte. Im Trainingsspiel A- gegen B‑Elf gewannen wir mit der B- Mannschaft 4:0 – und ich schoss alle vier Tore. Gegen Hertha BSC wurde ich dann beim Stand von 2:0 eingewechselt. Viel konnte ich also nicht mehr falsch machen. (lacht)
Über 70.000 im Westfalenstadion, der große Bundesliga-Zirkus, die Lichter der Kameras: Schlotterten Ihnen nicht die Knie?
Kosi Saka: Man nimmt das nicht wahr. Ich stand jedenfalls an der Seitenlinie und hörte nichts. Kurz vor meiner Einwechslung bekam ich trotzdem zittrige Hände, ein seltsames Bauchgefühl. Dann fühlte sich der Ball auf einmal schwerer an, und ja, auch die Beine schlotterten. Und dennoch: Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn ich an diese Einwechslung zurückdenke, bekomme ich noch heute eine Gänsehaut.
Wie haben Sie die Zeit unter Bert van Marwijk erlebt?
Kosi Saka: Ich bin froh, dass Bert van Marwijk mein erster Profitrainer war. Er hat seine ganz eigene, spezielle Philosophie vom Fußball. So legt er viel Wert auf Kurzpassspiel und achtet auf Kleinigkeiten. Ein Trainer der absoluten Spitzenklasse, was er momentan auch bei der niederländischen Nationalmannschaft unter Beweis stellt.
Was verbindet Sie heute mit dem BVB und der Stadt Dortmund?
Kosi Saka: Ich bin mit 14 Jahren nach Dortmund gezogen und habe erst hier meine ersten richtigen Freunde kennengelernt, mit denen ich heute noch befreundet bin. Mit der Stadt bin ich mittlerweile tief verwurzelt, Dortmund ist meine Heimat geworden. Ich möchte hier nicht mehr weg.
Wie kam es dann zum Wechsel zum Hamburger SV?
Kosi Saka: Durch meine regelmäßigen Einsatzzeiten bei den BVB-Profis und konstant guten Leistungen, sind einige Vereine auf mich aufmerksam geworden. Neben dem HSV auch die TSG Hoffenheim, Hannover 96 und Arminia Bielefeld. In jener Zeit hatte ich Differenzen mit dem neuen BVB-Trainer Thomas Doll. Für mich war er kein ehrlicher Mensch. Sagte er zu Beginn der Woche, wie gut ich im Training sei, und dass er mich nominieren würde, sah ich meinen Namen donnerstags nie auf der Kaderliste. Ich wollte nur weg von ihm. Zu der Zeit hat sich der Hamburger SV – in Person von Dietmar Beiersdorfer – sehr intensiv um mich bemüht. Der Klub bot mir einen langfristigen Vertrag und eine gute sportliche Perspektive. So entschied ich mich für einen Wechsel.
Beim HSV standen Sie zwei Jahre unter Vertrag, hatten in dieser Zeit allerdings keinen Einsatz in der Bundesligamannschaft. Bereuen Sie den Wechsel nach Hamburg?
Kosi Saka: Wenn ich ehrlich bin: Ja. Ich hatte einige Startschwierigkeiten, ich brauchte Zeit, auch Vertrauen, denn es war alles neu. Beim BVB bin ich zum Training gekommen, habe mir wenig Gedanken gemacht, und einfach trainiert. Beim HSV war das anders: Es sollte mein großer Karriereschritt werden, ich wollte den Durchbruch schaffen und Stammspieler werden. Zu der Zeit habe ich mich sehr unter Druck gesetzt.
War die Konkurrenzsituation anders?
Kosi Saka: Durchaus. Wenn beim BVB Christoph Metzelder oder Philipp Degen verletzt oder gesperrt waren, warst du als Nachwuchsspieler im Kopf des Trainers. Dem HSV warteten auf der rechten Abwehrseite Guy Demel, Jerome Boateng oder auch Collin Benjamin auf ihren Einsatz – ich war nur der vierte Mann.
Haben Sie trotz der sportlichen Enttäuschung auch Positives aus der Zeit mitgenommen?
Kosi Saka: Fernab vom Fußball hatte ich in Hamburg eine schöne Zeit. Ich habe viele Menschen kennengelernt und heute noch etliche gute Freunde dort. Zudem habe ich mich in Hamburg menschlich weiterentwickelt. Auch weil ich gemerkt habe, dass es nicht immer nur bergauf geht. Und weil ich gelernt habe, dass Talent allein nicht ausreicht.
Als Ihr Vertrag 2009 beim HSV nicht verlängert wurde, waren Sie ein halbes Jahr vereinslos. Wie war das?
Kosi Saka: Schrecklich. Seit meinem 14. Lebensjahr war ich es gewohnt, dass ich mit Fußball Geld verdiene. Ich hatte an jedem Monatsbeginn Geld auf dem Konto und auf einmal kam nichts mehr. Es war eine der schlimmsten Zeiten meines Lebens. Zumal ich nie ein Mensch war, der viel gespart hat.
Sie waren arbeitslos.
Kosi Saka: Und ich bekam Briefe vom Arbeitsamt, um die ich mich zunächst gar nicht gekümmert habe. Ich war mir stets sicher, dass ich einen neuen Verein finde. Beinahe hätte ich in der Türkei bei Trabzonspor unterschrieben. Die wollten mich unbedingt haben. Auch der SC Freiburg hatte Interesse an mir. Doch dann haben sich die beiden Vereine für andere Spieler entschieden.
Hatten Sie Existenzängste?
Kosi Saka: Auf jeden Fall. Das große Problem war, dass ich auf vieles verzichten musste, weil ich kein Einkommen mehr hatte. Sorgen, dass ich nie wieder einen Verein bekomme, hatte ich allerdings nicht. Und doch bedrückte es mich, wenn Menschen mich auf der Straße erkannten und fragten, wo ich spiele. Auch heute ist das so. Da wird mir unwohl, wenn ich sagen muss: „In der 6. Liga.“ Es ist ein seltsames Gefühl, wenn ich mir vorstelle, was die denken: „Da ist der Saka, der mal ganz oben war und nun sehr tief gesunken ist.“ Manchmal tut das weh.
Wer hat Sie unterstützt, als Sie vereinslos waren?
Kosi Saka: In der Zeit habe ich viel Geld ausgegeben – mehr als da war. Glücklicherweise hatte ich Freunde und meine Familie, die mich unterstützen. All die Jungs, mit denen ich früher Fußball gespielt habe, waren für mich da. Das werde ich nie vergessen.
Wie schätzten die Freunde Ihre Lage ein?
Kosi Saka: Sie sprachen mir Mut zu, sagten mir, dass ich besser bin als die meisten. Aber gleichzeitig sagten sie auch, dass es nicht jeder packt. So ist das im Leben. Schon in der Jugend wurde uns das immer wieder gesagt. Nur, weil man besser ist als die anderen, muss das nicht bedeuten, dass man es packt. Man ist vielleicht talentierter als die meisten, aber eventuell ist der andere im Kopf viel weiter als du. Das ist entscheidend.
Im Moment spielen Sie in der Niederrheinliga beim KFC Uerdingen – weit weg von der Bundesliga. Ein Außenstehender würde Ihre Karriere als „gescheitert“ bezeichnen. Würden Sie widersprechen?
Kosi Saka: Auf jeden Fall. Als ich das Angebot vom KFC angenommen habe, hatte ich auch Angebote aus der Zweiten und Dritten Liga. Sechste Liga, das klingt natürlich ganz anders. Aber als ich Präsident Agissilaos „Lakis“ Kourkoudialos zum ersten Mal getroffen habe, sagte er mir, was er mit dem KFC vorhat. Er hat ein Konzept für die nächsten Jahre, welches den Aufstieg in höhere Spielklassen beinhaltet.
Dennoch ist die Fallhöhe enorm: Sie spielten vor 70.000 im Westfalenstadion und heute für KFC Uerdingen in der 6. Liga. Wenn Sie heute auf Ihre bisherige Fußballkarriere blicken: Was ist schief gelaufen?
Kosi Saka: Vom Talent her war ich meinem Alter weit voraus, aber ich habe viele andere Sachen im Kopf gehabt. Ich bin ein sehr fröhlicher Mensch und ein Problem war es oft, die nötige Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen. Trainer konnten mich daher nicht richtig einschätzen. Sie sahen mich grinsend auf der Bank und dachten, dass ich mit meiner Situation glücklich bin. Und das war vielleicht der Fehler. Beim HSV kannten mich der Trainer und die Mitspieler nicht. Ich hatte schnell den Ruf, dass ich die Dinge nicht ernst nehme. Letztendlich muss man sagen, dass ein Nuri Sahin mit 16 viel weiter als ich war.
2008 haben Sie bei der WM-Qualifikation zwei Mal für Kongo gespielt. Wie war das?
Kosi Saka: Ich wäre auch für Deutschland aufgelaufen, denn ich fühle mich als Deutscher – doch mit dem deutschen Pass hat es leider nie geklappt. Trotzdem waren die Spiele für Kongo der Wahninn! Wenn man die Chance hat, für sein Land zu spielen, darf man sich das nicht entgehen lassen.
Bei Uerdingen haben Sie ein halbes Jahr mit Ailton gespielt. Wie haben Sie ihn erlebt?
Kosi Saka: Toni ist ein sehr lustiger, ehrlicher und herzlicher Mensch. Ein guter Freund, mit dem wir beim KFC schöne Zeiten hatten. Hier war viel Trubel in der Zeit. Wir haben viel gemeinsam unternommen. Wir waren gemeinsam essen, sind abends ausgegangen. Ich habe noch heute Kontakt zu ihm.
Kosi Saka, was sind Ihre langfristigen Ziele?
Kosi Saka: Wieder da hinzukommen, wo ich war. Im besten Fall in Uerdingen und mit dem Präsidenten Lakis. Ich glaube auch, dass wir diese Saison aufsteigen können. Und wenn wir das schaffen, dann werden wir in drei bis vier Jahren in den Profifußball kommen.
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